Ein katholisches Bergdorf, die jüdische Gemeinde von Barcelona und ein deutscher Kellermeister
Als Anfang der 1990 er Jahre die jüdische Gemeinde von Barcelona einen Weinproduzenten für koscheren Wein suchte, gelangte man in die katholische Gemeinde Capçanes, deren Kooperative dem Projekt zustimmte. Mit Hilfe eines koscheren Weins hat sich die Genossenschaft einen Namen in der internationalen Weinwelt verschafft und wurde zu einem der bekanntesten Betriebe Spaniens. Eng verbunden ist die Geschichte auch mit dem deutschen Kellermeister Jürgen Wagner, der genau in dieser 400 Seelen-Gemeinde sein Glück suchte. Knapp 20 Jahre nachdem er das erste Mal nach Capçanes kam, vertritt Jürgen Wagner heute nicht nur die Winzergenossenschaft bei Weinmessen und Verkostungen in Europa und der ganzen Welt - sondern im Grunde das ganze Bergdörfchen.
Weinbau hat in Capçanes eine lange Tradition, bis ins Mittelalter reichen die Anfänge. Vor der großen Reblausplage, die Anfang des 20. Jahrhunderts alle Weinberge zerstörte, waren in den drei kleinen Tälern, die zur Gemeinde gehören, rund tausend Hektar mit Reben bestückt. Nach der Wiederbepflanzung, mit der die Weinbauern 1905 begannen, waren es nur noch knapp ein Fünftel davon. Die Kooperative „Celler de Capçanes“ geht auf fünf Familien zurück, die sich 1933 zusammenschlossen - begeistert von der damals in Katalonien aufkommenden Genossenschaftsidee und getrieben von den veränderten Bedingungen des Weinmarktes, der vor allem größere Mengen für den Export verlangte.
Doch der spanische Bürgerkrieg machte schon bald alle Pläne zunichte; richtig Fuß fassen konnte die Kooperative erst in den fünfziger Jahren. Als Trauben- und Tankwein-Lieferant kam man mit einigen großen, namhaften Weinproduzenten ins Geschäft. Als „poor man's port“ wurden die fruchtig-fülligen, alkoholreichen Tropfen aus den Bergen im Hafen von Tarragona abgefüllt und vor allem nach England verschifft.
Doch auch dieses Geschäft wurde zunehmend schwieriger. Anfang der Neunziger suchte die Genossenschaft schließlich geradezu verzweifelt nach einer Alternative. Die Rettung kam mit der jüdischen Gemeinde im etwa 120 Kilometer nordöstlich gelegenen Barcelona. Ein zufälliger Kontakt zu einem Rabbiner brachte die katholischen Weinbauern auf die Idee: Wir machen koscheren Wein, in unserem eigenen Keller und von allerbester Qualität!
Koscherer Wein
Die jüdischen Speisegesetze schreiben vor, dass alles Essen koscher sein muss. Hohe Anforderungen werden auch an einen koscheren -also korrekten - Wein gestellt.
1. Die Trauben dürfen nicht von Rebstöcken stammen, die jünger als vier Jahre sind.
2. Im siebten Jahr, dem sogenannten Sabbatjahr, dürfen keine Trauben geerntet werden.
3. Die letzten zwei Monate vor der Ernte darf nicht mehr organisch gedüngt werden.
4. Alle Geräte, die zur Ernte oder Verarbeitung der Trauben dienen sollen, müssen unter Aufsicht von Rabbinern gesäubert werden.
5. Jegliche Zusätze wie Enzyme, Bakterien oder Gelatine sind beim Vinifizieren unzulässig.
6. Die Flaschen dürfen nicht mehrmals gefüllt werden.
7. Die einzelnen Traubensorten müssen gleichzeitig geerntet und gemeinsam vinifiziert werden.
Die Kooperative ließ sich auf das Experiment ein, investierte in moderne Technik, einen eigenen koscheren Keller mit eigenen Tanks, Fässern und Gerätschaften - und produzierte mit dem „Flor de Primavera Peraj Ha'abib“ gleich im ersten Jahrgang einen Wein, der sensationell gut ankam. Die Kritiker - nicht nur die jüdischen - überschlugen sich förmlich in ihrem Lob für diese intensive, fruchtig-komplexe, zwölf Monate in Barrique ausgebaute Cuvée aus Garnacha, Cabernet Sauvignon und Cariñena. Mit einem Schlag fand sich Capçanes auf der Landkarte der spanischen und internationalen Weinkenner-Szene wieder.
Und die Geschichte geht weiter. Motoviert durch den großen Erfolg, hat Celler Capçanes 2015 einen "kleinen" koscheren Wein kreiert. Der Peraj Petita ist nur neun Monate in der Flasche gereift. Die Trauben stammen aus bis zu 40 Jahre alten Rebstöcken.
Lassen Sie sich von beiden Weinen überraschen.